…das ist, wenn man in den Spiegel schaut und sich selber fertig macht
Genau diesen Satz habe ich kürzlich von einer Schülerin gehört. Ich war in einem Gymnasium eingeladen und habe in den 7. Klassen einen Workshop zum Thema „Cybermobbing“ durchgeführt. Zum Einstieg ging es noch einmal um Grundlagen zum Thema Mobbing. Was wir darunter verstehen, was typisch dafür ist und welche Gruppen es im Mobbinggeschehen üblicherweise gibt.
Dann meldete sich eine Schülerin mit dieser Wortmeldung „Es gibt ja auch Selbstmobbing, wenn man in den Spiegel schaut und sich selber fertig macht“.
Und ja – auch wenn das typischerweise nicht wirklich zu Mobbing zählt – gibt es diese Verhaltensweise natürlich tatsächlich. Die Meldung hat mich sehr beschäftigt und ich habe in der Pause das Gespräch mit der Schülerin gesucht und sie gefragt, ob das tatsächlich bei ihr selbst ein Thema sei.
Das Mädchen – ich vermute die Familie stammt aus dem südasiatischen Raum – hat mir das sofort bestätigt. Sie würde das häufig machen. Die anderen Mädchen wären viel hübscher als sie. Ihre Haut wäre zu dunkel, sie hätte schwarze Haare statt blonde, ihre Augen wären zu klein, ihre Nase zu groß. Sie hätte zu viele Haare auf den Armen. Sie würde sich trotzdem immer schminken, so wie die anderen das auch machen, obwohl sie eine Allergie hätte.
Sie würde in der Klasse häufig zu spüren bekommen, dass sie anders ist. Einmal wäre ein dunkelhäutiger Austauschschüler dort gewesen und es hätte direkt Sprüche gegeben, dass er und sie doch das perfekte Paar wären. Alltäglicher Rassismus in einer Schulklasse.
Das gleiche Mädchen hatte in der Vorstellungsrunde zu ihren Wünschen berichtet, dass sie gerne Ärztin werden würde. Sie würde viel dafür tun, aber ihre Noten wären noch nicht gut genug. Ihre Eltern wären sehr streng und würden immer mehr von ihr erwarten.
Ich war wirklich beeindruckt von dem Mädchen, weil es so offen mit mir über diese Themen gesprochen hat und sich auch im Rahmen des Workshops häufig mit guten Beiträgen gemeldet hat, die auch wirklich aus der eigenen Lebenswelt kamen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass es ihr merklich an Selbstvertrauen fehlte, ihre Selbstwahrnehmung viel zu kritisch war und das Selbstwertgefühl viel zu wenig ausgeprägt.
Alles wichtige Eigenschaften, die die Grundlage bilden für mehr Resilienz – ganz allgemein, aber insbesondere auch im Fall von verbaler Gewalt oder Mobbing. Eigenschaften, die auch die Voraussetzung für eine bewusste Entscheidung zur effektiven Selbstverteidigung im Falle von körperlichen Angriffen sind. Viel zu häufig nehmen Betroffene sogar körperliche Gewalt als „normal“ wahr und geben sich selbst die Schuld daran, weil sie es ja offenbar „nicht besser verdient“ hätten.
Ich konnte dem jungen Mädchen in unserem kurzen Gespräch leider auch nur ein paar grundlegende Tipps geben:
- Hör auf, dich mit anderen zu vergleichen, du bist einzigartig
- Finde Dinge, die du an dir magst und die die gefallen und konzentriere dich darauf
- Sieh die Dinge, die dir sonst negativ auffallen, als Besonderheiten, nicht als Fehler
- Sag dir selber (oder deinem Spiegelbild) positive Dinge, mache die selbst Komplimente, immer und immer wieder
Klar, dass ist einfacher gesagt als getan – aber wie so oft – wenn man es nicht selbst macht, nicht selbst an sich glaubt und an sich arbeitet – dann wird sich auch nichts verändern! Hier liegt es an den Eltern ihre Kinder auf diesem Weg und bei dieser Entwicklung zu fördern und zu unterstützen. Für mehr Widerstandskraft und Selbstvertrauen